Vom "Narrenschiff" zur "atomaren Bildung"

Die Website bildungsgeschichte.de, die redaktionell und technisch von der BBF betreut wird, hat in diesem Jahr viele neue Beiträge publiziert. In zahlreichen Datapapers werden wichtige digitale Ressourcen für die Historische Bildungsforschung vorgestellt, von den Kopierbüchern in Pestalozzis Institut in Yverdon über in Schule und Unterricht eingesetzte historische Tabellenwerke der Frühen Neuzeit bis zu einem Datensatz zu den Absolventen des Gothaer Gymnasiums Illustre zwischen 1524 und 1882. Herausragende neue digitale Angebote wie die Datenbank Gelehrte Journale und Zeitungen der Aufklärung oder die neue digitale Edition von europäischen Ausgaben von Sebastian Brants „Narrenschiff“ werden nicht nur in ihren Nutzungsmöglichkeiten für die Forschung, sondern vor allem auch in ihrer bildungshistorischen Relevanz eingeordnet. Und wer sich schnell über die Bildungsgeschichte anderer europäischer Länder informieren will, kann bereits auf einen ersten umfassenden Beitrag über digitale Ressourcen für die französische Bildungsgeschichte zurückgreifen.
In informativen wie unterhaltsamen bildungshistorischen Kolumnen werden pädagogisch und bildungshistorisch relevante und aktuelle Themen essayistisch kommentiert. Hier zeigt Barbara Hof in ihrer Analyse der Geschichte „atomarer Bildung“ in der Bundesrepublik und der DDR, dass das im Rahmen des Klimawandels wieder aktuell gewordene Thema „Atomenergie“ immer bildungspolitische Dimensionen hat. Anja Giudici wirft bildungshistorische Perspektiven auf den Aufstieg der radikalen Rechten in Westeuropa und legt dar, was Historische Bildungsforschung zur Erforschung dieses Phänomens beitragen kann. Und Kate Rousmaniere fragt danach, welche Lektionen für das historische Verständnis von Erziehung aus der Pandemie gezogen werden können – und plädiert dafür, stärker die chronischen „endemischen“ Transformationen der Arbeitsbedingungen von pädagogisch Arbeitenden zu focussieren. Weitere aktuelle Themen, die in diesem Jahr u.a. aufgegriffen wurden: Waldorf-Pädagogik, der Kreationismus und das Hagener Manifest. Peter Staudenmaier erklärt, warum die Anthroposophie und die Waldorf-Pädagogik kritische historische Forschung brauchen; was europäische und deutsche Bildungshistoriker:innen und Pädagog:innen aus der US-amerikanischen Geschichte des Kreationismus lernen können, zeigt Adam Laats; und Julia Kurig wirft kritische Perspektiven auf das „Hagener Manifest“ und warnt vor Verkürzungen und Vereinnahmungen des Themas „digitale Bildung“.