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Autor*innen: Ricken, Norbert; Reh, Sabine
Titel: Leistung als Paradigma. Eine Einführung in die Konzeption des Bandes
Aus: Reh, Sabine; Ricken, Norbert (Hrsg.): Leistung als Paradigma: Zur Entstehung und Transformation eines pädagogischen Konzepts, Wiesbaden: Springer VS, 2018 , S. 1-17
Dokumenttyp: 4. Beiträge in Sammelwerken; Sammelband (keine besondere Kategorie)
Sprache: Deutsch
Abstract: "Leistung" - so Ricken und Reh in ihrer Einführung zum vorliegenden Band - wird als ein Kriterium bezeichnet, mithilfe dessen Arbeit bemessen, materialle und soziale Ressourcen verteilt und damit verbundenen Differenzen auch legitimiert werden können (hieran lassen sich Fragen nach Leistungsgerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit aufwerfen und diskutieren). "Leistung" gilt heute als unmittelbar evidentes und mit der Moderne nicht immer zu vereinbarendes Selbstverständnis von modernen und bürgerlichen Gesellschaften - als "soziologische Grundkategorie des Wirtschaftens" (Weber 1972, S. 62ff), eng verbunden mit "Arbeit", als Teil der ökonomischen bzw. kapitalistischen Logik bürgerlicher Gesellschaften. "Leistung" bringt aber auch zum Ausdruck, dass nicht "Privilegien" - also Herkunft und Stand - über die Verteilung von gesellschaftlichen Positionen, Anteilen an Reichtum, Macht und sozialem Ansehen entscheiden sollten, sondern deren Erwerb über Befähigung durch "Leistung" auch zum Erfolg und damit zumindest jedem offen stehen müssten. In diesem Kontext rückt "Leistung" als Konzept in die Nähe der europäischen Aufklärung, als "Subjektsein" in philosophische Diskurse der Moderne, die im "Leistungsbegriff" ein Bindeglied zwischen freiheitlicher Aufklärung und kapitalistisch orientierter Wirtschaft - einen Grundbegriff der Moderne sehen. Aus bildungsgeschichtlicher Perspektive ist der Begriff "Leistung" - in der Verzahnung von Leistung und Moderne - kaum erforscht worden. Der Leistungsbegriff etablierte sich zudem recht spät ("Meritokratie" als Begriff ist eine Erfindung des 20. Jh.) - im Kanon der "Geschichtlichen Grundbegriffe" (Brummer 1972-1997) taucht der Begriff nicht auf, obwohl er aufgrund seiner zunehmenden gesamtgesellschaftlichen Bedeutung ("Dienst leisten" oder "Gesellschaft leisten") sich durchaus in die "Historische Semantik" hätte einordnen lassen. Mit Blick auf soziologische Diskurse zur Theorie der Modernde fällt auf, dass "Leistung" hier eher selten umstandslos affimiert wird, häufiger finden sich Skepsis und Distanznahme gegenüber dem Leistungsbegriff.
Was als "Leistung" zählt, wie sie bewertet und wem sie zugeschrieben werden kann, wird zunehmend schwieriger zu bestimmten.
In dem Band geht es darum, das Konzept der Leistung in seinen kulturell-gesellschaftlichen und pädagogischen Gewordenheiten zu rekonstruieren und in seiner Selbstverständlichkeit und Logik zu dekonstruieren. Aus einer soziologischen Perspektive wird die Zentralität des Leistungsbegriffs für die moderne Gesellschaft nachgezeichnet. Über den historischen Zugang wird gezeigt, wie sich das Paradigma im Laufe der Zeit entwickelt. Praktiken der Leistungskonstruktion - Aufgabenstellungen, Prüfungen und Leistungsbewertungen - werden aus pädagogischer Perspektive aufgegriffen und kritisch reflektiert.
Der Inhalt des Bandes untergliedert sich in 3 Kapitel: (1) Entstehungskonstellationen der "Leistung" vor 1900, (2) Konstellationen der "Leistung" nach 1900 und (3) Konstellationen der "Leistung" am Ende des 20. Jahrhunderts. (DIPF/Autor)
DIPF-Abteilung: Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung