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Autor*innen: Weyers, Stefan
Titel: Moral und Delinquenz. Moralische Entwicklung und Sozialisation straffälliger Jugendlicher
Erscheinungsvermerk: Weinheim: Juventa, 2004
Dokumenttyp: 1. Monographien (Autorenschaft); Monographie (keine besondere Kategorie)
Sprache: Deutsch
Schlagwörter: Jugendlicher; Jugendkriminalität; Moral; Entwicklungspsychologie; Empirische Untersuchung
Abstract: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Moral und Delinquenz? Im Alltagsverständnis wird eine solche Beziehung unterstellt und auch im öffentlichen Diskurs wird häufig eine Verbindung gezogen zwischen Jugendkriminalität und der vermeintlichen Auflösung traditioneller Bindungen an soziale Normen. Die individuelle Moral ist sicherlich keine Ursache von Delinquenz, weitgehend ungeklärt ist jedoch, inwieweit moralische Kompetenzen und Orientierungen delinquentes Handeln hemmen oder biographische Wandlungsprozesse fördern können. Im Zentrum des Buches stehen Studien zur moralischen Entwicklung und Sozialisation straffälliger Jugendlicher. Ausgangspunkt sind die kriminologischen Thesen von Lawrence Kohlberg. Im Rahmen seiner Stufentheorie des moralischen Urteils postulierte er, dass jugendliche Straftäter starke Entwicklungsverzögerungen aufweisen und vorwiegend auf den niedrigen Stufen 1 und 2 urteilen. Interventionen zur Förderung des moralischen Urteils im Strafvollzug stützen sich auf diese Annahmen, auch in der Moralforschung gelten sie als weitgehend gesichert. Nach einer kritischen Rekonstruktion der Theorie Kohlbergs und seiner kriminologischen Thesen wird eine alternative moraltheoretische Interpretation von Delinquenz skizziert. Im empirischen Teil der Arbeit wird eine Untersuchung mit 30 männlichen Jugendstrafgefangenen vorgestellt. Neben dem moralischen Urteil werden die moralische Orientierung, die allgemeine Akzeptanz von Normen, die Straftaten der Probanden, retrospektive biographische Deutungen und soziale Bedingungen der Moralentwicklung analysiert. Die Ergebnisse widersprechen Kohlbergs These, straffällige Jugendliche urteilten vorwiegend auf den niedrigen Moralstufen. Es zeigt sich auch keine Beziehung zwischen der Moralstufe und der Schwere der Tat. Ein Zusammenhang zur Schwere der Tat weist dagegen der "Moraltyp" auf, ein Konzept Kohlbergs, das stärker motivationale Orientierungen berücksichtigt. Auch die Bedeutung der sozialen Schicht, des Familiensystems und insbesondere der Schulbildung für dieEntwicklung des Moralurteils wird bestätigt. Die Akteure unterscheiden sich in der biographischen Selbstpräsentation und der retrospektiven Bewertung der eigenen Taten erheblich voneinander. Es lassen sich sechs Idealtypen rekonstruieren, die auch unterschiedliche moralische Perspektiven auf sich und das eigene Tun repräsentieren. Bei der Diskussion der Befunde wird die Ambivalenz vieler Straftäter gegenüber moralischen Normen betont. Für delinquentes Handeln und die Verarbeitung der Taten erscheinen weniger moralkognitive Kompetenzen, als vielmehr Prozesseder Aufrechterhaltung der moralischen Identität von Bedeutung. Die biographischen Interviews legen die These nahe, dass moralische Entwicklungsprozesse eine wichtige Rolle für biographische Umorientierungen im Hinblick auf Delinquenz spielen können. In pädagogischer Perspektive deuten die Befunde auf die begrenzte Reichweite rein kognitiver Ansätze der Moralerziehung hin.
Abstract (english): {Abstract_englisch}
DIPF-Abteilung: Bildung und Kultur