Trauer um Prof. Dr. Horst Weishaupt

Horst Weishaupt gehörte zu den seltenen Vertreter*innen der empirischen Bildungsforschung, die selbst eine Ausbildung und Berufserfahrung als Lehrkraft haben. Nicht zuletzt deshalb bildete die Arbeitssituation von Lehrkräften einen Schwerpunkt seiner Forschungen und war ihm der Praxisbezug wissenschaftlichen Arbeitens stets wichtig. Geboren 1947, war er schon mit 20 Jahren in Darmstadt Lehrer mit den Fächern Kunst und Musik , ging aber nach einem Jahr zum Studium der Pädagogik an die Goethe-Universität in Frankfurt. Bereits vor dem Diplom war er in der Schulentwicklungsplanung tätig, danach wirkte er für fast zwei Jahrzehnte als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der damaligen Abteilung „Ökonomie des Bildungswesens“ unseres Instituts. Hier bearbeitete er vielfältige Projekte und promovierte über pädagogische Modellversuche.
Nach der deutschen Wiedervereinigung erhielt er einen Ruf an die Pädagogische Hochschule und spätere Universität Erfurt und baute dort die Bildungswissenschaften mit auf. 2004 wechselte er auf die Professur für Empirische Bildungsforschung an der Universität Wuppertal, wo er das neue Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung wesentlich prägte. 2008 gelang es dem DIPF im Rahmen eines Kooperationsvertrages mit der Wuppertaler Universität, Horst Weishaupt – nun als Leiter der Abteilung „Steuerung und Finanzierung des Bildungswesens“ und Mitglied des Vorstands – an das Institut zurückzuholen. Diese Funktion hatte er bis zur Pensionierung 2013 inne. In dieser Zeit förderte er engagiert den wissenschaftlichen Nachwuchs, war für den nationalen Bildungsbericht zuständig – wobei er mit dem Schwerpunktthema „Kulturelle Bildung“ 2012 auch an seine professionellen Wurzeln anknüpfte – und begründete ein wegweisendes Programm für das kommunale Bildungsmonitoring, das Spuren in vielen Städten und Landkreisen Deutschlands hinterlassen hat.
Horst Weishaupt hatte durchweg das Bildungswesen in seiner Ganzheit im Blick. Seine besondere Expertise war die Nutzung amtlicher Daten für die Bildungsforschung. Auch im Jahrzehnt nach seiner Pensionierung setzte er sich intensiv für eine Verbesserung der Bildungsstatistik ein, um individuelle Bildungsverläufe zu verfolgen, regionale Disparitäten aufzudecken, Sozialindizes für eine gerechte Verteilung von Ressourcen im Bildungssystem zu entwickeln, Inklusion und die Integration von Migranten zu unterstützen. So legte er immer wieder Auswertungen von Daten aus amtlichen Erhebungen und Schulleistungsuntersuchungen vor, um auf die Situation von Kindern aus armen Familien, mit Sprachdefiziten oder sonderpädagogischem Förderbedarf in einzelnen Bundesländern aufmerksam zu machen. Er entwarf Alternativen zum tradierten „Königsteiner Schlüssel“, nach dem finanzielle Mittel und Belastungen zwischen den Bundesländern aufgeteilt werden, und machte noch im vergangenen Jahr Vorschläge, wie die Budgets des neuen bundesweiten Startchancen-Programms zielgenau für Schulen in schwieriger Lage eingesetzt werden können.
Wir verlieren mit Horst Weishaupt einen Kollegen, der in der Bildungsforschung, in der Bildungsadministration und der Praxis breite Anerkennung genoss und sich um die Weiterentwicklung des deutschen Bildungssytems große Verdienste erworben hat. Sein Andenken ist zugleich Auftrag, in Wissenschaft, Politik- und Praxisberatung für ein effizientes und gerechtes Bildungswesen einzutreten.
Frankfurt am Main, im Februar 2025
Für Vorstand und Mitarbeitende des DIPF | Leibniz Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
Prof. Dr. Kai Maaz, Geschäftsführender Direktor