Wenn Kinder von Akademiker*innen nicht studieren
Die Verwunderung von akademisch gebildeten Eltern ist meist groß, wenn das eigene Kind trotz aller Möglichkeiten nicht studieren möchte. Während die Eltern sich wünschen, dass ihr Kind möglichst gute Voraussetzungen erlangt, Geld zu verdienen und den eigenen Status zu verbessern oder zumindest zu erhalten, haben die Kinder oft eigene Vorstellungen. Diese decken sich nicht immer mit denen ihrer Eltern. Statt eines Studiums starten die jungen Erwachsenen dann beispielsweise eine Ausbildung in einem Handwerksberuf – einfach, weil sie das mehr interessiert. Wie dieser Gegensatz belasten und durchaus auch zu Konflikten führen kann, zeichnet der Radiobeitrag mit vielen Stimmen und konkreten Erfahrungen von Betroffenen nach.
Im zweiten Teil des Features (ab Minute 10:10) skizziert der Sender, wie die Vorstellung, dass erst ein Studium gesellschaftliches Ansehen und einflussreiche Stellungen bringt, überhaupt entstanden ist. Diese Entwicklung dürfte Ende des 18. Jahrhunderts begonnen haben, wie der Bildungshistoriker Drope vom DIPF darlegt: „Das hat den Hintergrund, dass der erfolgreiche Studienabschluss Voraussetzung wurde, um diese Berufe zu ergreifen: Das sind vor allem Juristen, Theologen, Mediziner und Gymnasiallehrer. Ab dem Moment sind Privilegien und Prestige mit diesem Studienabschluss verbunden.“
Zu Anfang war es aber nur ein ganz geringer Anteil der Bevölkerung, der studierte. Ein großer Schub zu mehr Studienanfänger*innen setzte erst im Lauf der 1960er-Jahre ein. Drope beschreibt den Zeitgeist dieser Jahre: „Immer mehr Teile der Bevölkerung sehen, es gibt Aufstiegschancen durch Bildung, ich kenne Leute, die das gemacht haben. Dadurch wird es auch realistischer. Gleichzeitig ist es auf der politischen Ebene eine geteilte Ansicht, dass eine besser ausgebildete Bevölkerung notwendig ist für das wirtschaftliche Bestehen der Nation.“ Von da an ging es aufwärts: Während 1965 nur fünf Prozent eines Jahrgangs studierten, waren es zehn Jahre später schon knapp 15. Und heute studiert rund die Hälfte eines Jahrgangs – und das Studium gilt vielerorts, und dabei eben auch in einzelnen Familien, als zentraler Weg zu Privilegien.