„Lern- und Prüfungskultur in Schule verändern: Ein Plädoyer für mutige Entscheidungen“

Die elfköpfige Gruppe mit Vertreter*innen aus Schulministerien und Landesinstituten aus vier Bundesländern sowie aus der Bildungsforschung tagte über ein Jahr hinweg und setzte sich mit der Frage auseinander, wie sich die Lern- und Prüfungskultur verändern muss, damit Schüler*innen bestmöglich lernen und sich persönlich entwickeln können.
Ziel war es, zentrale Herausforderungen im Bildungssystem zu identifizieren und konkrete Impulse für Veränderungen hin zu einem Schulsystem zu geben, in dem Lernprozesse und Prüfungen sinnvoll miteinander verknüpft sind.
Aus der Arbeit der Gruppe unter der Leitung von Dr. Martina Diedrich und Prof. Dr. Kai Maaz (DIPF) sind neun Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Lern- und Prüfungskultur in Schulen hervorgegangen, die nun in einem gemeinsamen Papier veröffentlicht wurden:
- Grundbildung und Schlüsselkompetenzen sichern
Alle Kinder und Jugendlichen müssen in Schule befähigt werden, grundlegende sprachliche, mathematische sowie fachliche und überfachliche Kompetenzen zu erwerben. Eine zukunftsorientierte Schule stellt sicher, dass diese Schlüsselkompetenzen aufgebaut und kontinuierlich weiterentwickelt werden. - Bildungsminimum garantieren, Bildungsmaximum ermöglichen
Bildung ist ein Grundrecht. Alle Akteure im Schulsystem tragen Verantwortung dafür, dass alle Lernenden das Bildungsminimum erreichen. Gleichzeitig sollen sie Kinder und Jugendliche darin unterstützen, ihr individuelles Potenzial voll zu entfalten – unabhängig von Herkunft oder Startbedingungen. - Individuelles und gemeinschaftliches Lernen ausbalancieren
Moderne Lernkulturen verbinden individuelle Lernwege mit gemeinschaftlichem Lernen. Es braucht Konzepte, die Selbstbestimmung und Partizipation ermöglichen, zugleich aber auch soziale Zugehörigkeit und kooperative Lernformen stärken. - Multiprofessionelle Kooperation fördern
Schulen müssen als kooperative Lern- und Lebensorte gestaltet werden. Eine enge Zusammenarbeit verschiedener Professionen – etwa aus Pädagogik, Sozialarbeit oder Psychologie – ist zentral, um Kinder und Jugendliche ganzheitlich in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu fördern. - Frühe Bildung stärken und Übergänge kooperativ gestalten
Frühkindliche Bildung legt den Grundstein für späteren Bildungserfolg. Ein geteiltes Bildungsverständnis zwischen KiTa und Grundschule sowie gut gestaltete Übergänge schaffen sind wichtige Gelingensbedingungen für kontinuierliches Lernen. - Kohärenz zwischen Lernen und Prüfen herstellen
Prüfungen sollten eng mit den Lernprozessen in Schule verknüpft und als Bestandteil individueller Entwicklung verstanden werden. Anschlussfähigkeit über Bildungsphasen hinweg sowie eine Ausrichtung auf individuelle Entwicklungsverläufe anstelle reiner Abschlussorientierung stärken die lernförderliche Funktion von Prüfungen. - Leistungsbewertung neu denken
Eine zeitgemäße Bewertungspraxis orientiert sich stärker an kriterialen und individuellen Maßstäben. So wird Leistung nachvollziehbar, vergleichbar – und vor allem lernförderlich. Soziale Bezugsnormen treten zugunsten einer pädagogisch sinnvollen Bewertung zurück. - Datengestützte Lernverlaufsdiagnostik und Feedback gezielt einsetzen
Zur individuellen Lernbegleitung braucht es geeignete diagnostische Instrumente, die Lernverläufe sichtbar machen. Lernbegleitendes Feedback hilft dabei, gezielte Förderung zu ermöglichen und Lernprozesse frühzeitig zu steuern. - Alternative Leistungsnachweise stärken
Schulen sollten alternative Formen der Leistungsdokumentation – wie Lerntagebücher, Portfolios oder projektbasierte Formate – systematisch einsetzen. Sie erlauben eine differenzierte Sicht auf individuelle Lernwege und machen Leistung umfassender sichtbar als klassische Prüfungsformate allein.
Die Publikation ist ab sofort auf der Seite der Bertelsmann-Stiftung online und kostenfrei als Download verfügbar.
Empfehlungen für eine veränderte Lern- und Prüfungskultur (pdf)
Video der Bertelsmann Stiftung zum Papier, unter der Beteiligung von Dr. Martina Diedrich und Prof. Dr. Kai Maaz