Projekt des Monats: INFLATE

Zeugnis Noteninflation
@Ralf Geithe – stock.adobe.com
27.08.2025 Nachricht
Das Team von INFLATE untersucht das Phänomen der Noteninflation, nach dem gute Schulnoten mit Blick auf die dahinter stehenden Kompetenzen heute inflationär vergeben werden.

"Schüler*innen müssen heute für gute Noten immer weniger leisten", "Flut von Abis mit Note Eins", "Einser-Schwemme": In Deutschland gibt es die Annahme, dass gute Schulnoten heute öfter vergeben werden – und zwar, ohne dass die Schüler*innen tatsächlich mehr dafür leisten müssen. Für dieses Phänomen hat sich der Begriff der "Noteninflation" etabliert. Doch ist diese Annahme überhaupt gerechtfertigt?

Klar ist: Schulnoten sind prägend für den schulischen Alltag und spielen eine zentrale Rolle in (nach)schulischen Übergängen. Sie haben eine Signalfunktion, sind Grundlage für Abschlüsse, Übergangsempfehlungen und die Vergabe von Ausbildungs- und Studienplätzen. Außerdem sollen sie Leistungsstände kommunizieren und motivationale Anreize setzen. Trotz der hohen Bedeutung von Noten innerhalb einer Schullaufbahn liegen in Deutschland jedoch bisher kaum empirische Untersuchungen zu einer möglichen Noteninflation vor.

Differenzierte Betrachtung führt zu einem fundierten Verständnis des Phänomens

Das Projekt „INFLATE – Zwischen Inflation, Stabilität und Deflation: Neue Perspektiven und vertiefende Analysen zur differentiellen Entwicklung von Noten, leistungsbezogenen psychosozialen Merkmalen, Empfehlungen und Aspirationen in der Primarstufe und Sekundarstufe“ will dies ändern und nimmt die Noteninflation anhand vorhandener Daten in den Blick.

INFLATE ist ein Verbundprojekt, in dem Wissenschaftler* des DIPF, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Health and Medical University Potsdam (HMU) zusammenarbeiten. Kooperationspartner sind außerdem das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) und die TU Dortmund. DIPF-Wissenschaftler Dr. Marko Neumann leitet das DFG-geförderte Projekt zusammen mit Prof. Dr. Nicolas Hübner (Uni Bonn) und Prof. Dr. Malte Jansen (HMU). Am DIPF verstärkt Judith Weinecke das Team mit einer Promotionsstelle.  

"Wir möchten genauere Vorstellungen vom Ausmaß einer möglichen Noteninflation bekommen, um beurteilen zu können, inwieweit wir es hier mit einem 'Problem' zu tun haben. Wesentlich ist für uns dabei ein differenzierter Blick auf die Thematik. Handelt es sich bei der Noteninflation um eine kontinuierliche Entwicklung oder ist sie in bestimmten Phasen – etwa bei stärkeren Leistungsrückgängen – deutlicher ausgeprägt als in Phasen steigender Leistungen, wie wir sie die ersten 10 Jahre nach der PISA Studie 2000 beobachten konnten? Fallen mögliche inflationäre Tendenzen für verschiedene Fächer unterschiedlich aus oder finden sich für Teilbereiche – etwa die stark gestiegenen Englischkompetenzen – sogar Anzeichen einer Notendeflation? Variieren die Entwicklungen nach Geschlecht, aber auch in Abhängigkeit der sozialen Herkunft oder der gewählten Schulform?", erläutert Dr. Marko Neumann die Fragestellungen des Projekts.

Vorhandene Daten werden empirisch ausgewertet

Zur Beantwortung der Forschungsfragen greift das Team ausschließlich auf bereits vorhandene Daten zurück und nutzt internationale und nationale Schulleistungsstudien der letzten 25 Jahre wie PISA, TIMSS, IGLU oder den IQB-Bildungstrend. "Dort finden sich vielfältige Informationen zum Kompetenzniveau der Schüler*innen und zu ihren Noten, aber auch zu Lernmotivation und Selbstkonzept sowie zu Abschlussaspirationen und Übergangsberechtigungen", so Neumann. "Im Kern untersuchen wir, wie sich die hinter bestimmten Noten, Aspirationen und Berechtigungen stehenden Kompetenzen und psychosozialen Merkmale der Schüler*innen über die Zeit verändert haben", fährt er fort. 

Das DIPF-Team profitiere von den Kooperationen mit weiteren Unis und Instituten. Die drei Projektleitenden hätten bereits in verschiedenen Kontexten miteinander gearbeitet, könnten auf gemeinsame Vorarbeiten aufbauen und dennoch ganz unterschiedliche inhaltliche und methodische Expertisen zusammenbringen, sagt Neumann.

Aktuell stellen die Forschenden Datensätze für die Auswertungen zusammen und bereitet diese für die Analysen auf. Außerdem laufen die Vorbereitungen für die ersten wissenschaftlichen Publikationen, in erster Linie im Rahmen von zwei im INFLATE-Projekt angesiedelten Promotionsstellen. Erste Ergebnisse sollen ab Herbst auch auf nationalen und internationalen Tagungen vorgestellt werden. 

Zur INFLATE-Projektseite